Als Arbeiter:inkind an die Uni? Das ist hierzulande immer noch die Ausnahme. In Sachen Bildung entscheiden viel zu oft nicht die eigenen Fähigkeiten und Neigungen, sondern die soziale Herkunft. Das zu ändern und für mehr Chancengleichheit zu sorgen, ist Ziel der Initiative Teach First.
„Jedes Kind verlässt die Schule mit einem Abschluss und dem festen Glauben an den eigenen Erfolg.“ So lautet die Vision der gemeinnützigen Bildungsinitiative Teach First Deutschland (TFD). Was im Grunde nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist es leider nicht: Immer noch entscheidet in Deutschland meist der Bildungsgrad der Eltern über den Bildungserfolg der Kinder. Zu diesem Schluss kommt die kürzlich veröffentlichte Studie von Stifterverband und McKinsey & Company mit dem Titel „Vom Arbeiterkind zum Doktor – Der Hürdenlauf auf dem Bildungsweg der Erststudierenden“.
Hier setzt Teach First Deutschland – eine Schwesterinitiative der britischen Teach First und der US-amerikanischen Teach For America – an. Im Kampf um mehr Chancengleichheit engagiert die Organisation seit der Gründung 2007 regelmäßig Hochschulabsolvent:innen aller Fachrichtungen. Diese arbeiten für zwei Jahre als „Fellows“ an sogenannten Brennpunkt-Schulen. Ihre Aufgabe: den Schüler:innen ganztägig motivierend zur Seite zu stehen und sie auf einen Abschluss vorzubereiten. Denn die größte Hürde in Sachen Bildung ist nach wie vor der Übergang von der weiterführenden an die Hochschule. Gelingt dieser Wechsel, sind Arbeiter:innenkinder in der Regel ähnlich erfolgreich wie Akademiker:innenkinder.
Überzeugt sein vom eigenen Können
Doch ganz gleich, ob Hochschulabschluss oder Meistertitel: Wichtig ist vor allem, das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Um das zu gewährleisten, werden die Teach-First-„Fellows“ in einem mehrstufigen Verfahren sorgfältig ausgewählt und anschließend drei Monate lang auf ihren Schuleinsatz vorbereitet. Abhängig vom Bundesland und der entsprechenden Schule wird dieser mit rund 2.000 Euro brutto vergütet. Aktuell gibt es das Bildungsprogramm in acht Bundesländern: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein.
In der Anfangszeit gab es durchaus kritische Stimmen: Die Hilfslehrer:innen würden studierte Lehrer:innen demotivieren, das Ganze sei ein „Lebensverschönerungsprogramm für Streber“. Doch die Erfolge geben Teach First recht, auch wenn die angestrebte Bildungsrevolution noch auf sich warten lässt. Neben positiven Entwicklungen im Kleinen – wenn etwa der 14-Jährige Ahmed sich plötzlich traut, seinen Berufswunsch Ingenieur laut auszusprechen – gibt es auch größere Bewegungen. Dann etwa, wenn ehemalige Fellows in einflussreichen Positionen gelandet sind und weiter auf Bildungsförderung und Bildungsgerechtigkeit setzen. Ein Beispiel dafür ist die von zwei ehemaligen Fellows gegründete Quinoa-Schule in Berlin. Dort soll etwa durch regelmäßig stattfindende Tutor:innengespräche oder das Wahlpflichtfach Interkulturelles Lernen das Gemeinschaftsgefühl und ein wertschätzender Umgang mit Vielfalt gewährleistet werden.
Es lässt sich nicht leugnen: Viele Baustellen in unserem Bildungssystem bräuchten Lösungen von Regierungsseite. Doch eine grundsätzliche Begeisterung für Bildung zu wecken und zu fördern – das kann auf unterschiedliche Weise funktionieren. Das Fellow-Konzept von Teach First ist eine davon.
Quellen und weiterführende Links:
https://www.teachfirst.de
https://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-brennpunktschule-teach-first-lehrer-1.4293908
https://www.tbd.community/de/a/teach-first-fellow-leben-erfahrung
https://www.mckinsey.de/news/presse/21-10-19-hbr-paper-2—chancengerechte-bildung
https://www.quinoa-bildung.de/
Bildquelle: © Teach First