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Wind of Change in luftigen Höhen

Höhenwindanlage erntet dort, wo es stetig windet
Energiegewinnung durch Wind neu gedacht: Horst Bendix und Rafael Laguna de la Vera vom SPRIND vor Modellen des Höhenwindrads
#erfinderwow #energiewow
    © SPRIND GmbH

      Leidenschaft. Entweder sie ist da oder sie ist es nicht. Das weiß auch Horst Bendix: Im Alter von über 90 Jahren treibt ihn die Mission an, Windenergie im großen Stil auszubauen.

      Das Renteneinstiegsalter wird regelmäßig angepasst. Da die durchschnittliche Lebenserwartung seit Jahrzehnten ansteigt, mag dieses Vorgehen aus marktwirtschaftlicher Sicht Sinn haben. Wie es die Lebensqualität im Alter beeinflusst, ist mangels Langzeitstudien noch nicht erforscht.
      Manchen älteren Mitmenschen ist Eines jedenfalls sonnenklar: Wenn sie können, möchten sie weiterarbeiten. Viele müssen es, Stichwort Altersarmut.

      Tangente statt Rente

      Horst Bendix aus Leipzig ist 92 Jahre alt, war bis zum Ruhestand Technik- und Forschungschef des Kirow-Werks in Leipzig und erhielt zweimal den „Nationalpreis“ der DDR. Er konstruierte Hebezeuge für die Montage der Kugel am Berliner Fernsehturm und war auch als Hochschulprofessor tätig.
      Seit dreizehn Jahren beschäftigt er sich mit der Frage, wie im Zuge des dringend benötigten Ausbaus der erneuerbaren Energien Windenergie effizienter und leistungsstärker werden kann. Denn das Problem bestehender Windkraftanlagen ist, dass sie bei einer Flaute nicht liefern und im anderen Fall überschüssige Energie produzieren.

      Die Kraft des Höhenwinds

      Er hat da so eine Idee, wie dieses Dilemma zu lösen sein kann: durch den Bau sogenannter Höhenwindanlagen. Diese ernten den Wind dort, wo er deutlich stärker und stetig weht – in den unteren troposphärischen Schichten ab zweihundert Metern Höhe.
      Bestehende Bauweisen verbieten Konstruktionen dieser Größe. Die Biegekräfte sind so stark, dass Materialermüdung das Konstrukt, wie wir es heute kennen, in größerer Höhe instabil und damit gefährlich machte. Zudem würden die Materialkosten den Ertrag bei Weitem übersteigen.

      Horst Bendix denkt das Windrad neu.
      Der Generator sitzt nicht an der Nabe, sondern am Boden. Durch eine Zugkonstruktion angetrieben, ist er wartungsärmer als der eines Windrades mit dem Hauptgewicht an der Nabe in luftiger Höhe. Somit ist der deutlich höhere Turm nicht schwerer als die bestehenden; die Turmmasse steigt nicht überproportional zur Höhe (Beispiel: Eiffel-Turm in Paris).
      Fun Fact: Nicht die Gondel dreht sich, sondern der ganze Turm. Somit kann der Rotor immer im Wind sein, ohne den Biegekräften derart ausgesetzt zu sein wie bisherige Ausführungen von Windenergieanlagen.

      50 Prozent weniger Gewicht, 40 Prozent weniger Kosten

      Geht Bendix‘ Rechnung auf, generiert bereits eines der von ihm entwickelten Höhenwindräder das Dreifachen an Energie eines herkömmlichen: bis zu 30 Gigawattstunden jährlich. So sind höhere Energieerträge bei gleichzeitig günstigeren Entstehungskosten gewährleistet.

      Wer den Rentner zuhause besucht, darf in seinem Garten Zeug:in werden seiner genau berechneten und ausgeklügelten Idee: Dort stehen zwei Modelle seiner Riesenwindräder, beide etwa zwei Meter hoch.
      Ein 30 Meter hohes Modell soll in einem bis zwei Jahren gebaut sein, in spätestens fünf Jahren der Prototyp seines 250 Meter hohen „Riesenwindrades“.

      Die Frage, ob Bendix das noch erlebt, treibt ihn um. Dreizehn Jahre lang hat er Investoren ge- und Menschen von seiner Idee zu überzeugen versucht. 2019 war es endlich soweit. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) kam bereits bei der Eröffnung in den Genuss von Bendix‘ Plänen – und erkannte das Potenzial. Seither wird gefördert, geplant und investiert.

      Es ist ihm und uns allen zu wünschen, dass seine Erfindung baldmöglichst umgesetzt wird – viel Zeit bleibt nicht. Gerade in Anbetracht der aktuellen Situation, die sofortiges Handeln im Sinne ressourcenschonender und autarker Energieproduktion alternativlos macht.

       

      Quellen und weiterführende Links:
      zeit.de/2022/06/windraeder-konstruktion-groesse-horst-bendix?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F (06.02.2022)
      efahrer.chip.de/news/leipziger-rentner-baut-windrad-es-produziert-dreimal-so-viel-strom-wie-normales_105736 (27.12.2021)
      trendsderzukunft.de/drei-mal-so-viel-strom-rentner-aus-sachsen-erfindet-ein-super-windrad/ (26.09.2021)
      mdr.de/wissen/energie-windrad-zukunft-100.html (23.08.2021)
      sprind.org/de/projekte/bendix/ (2020)
      workzeitung.ch/2021/03/kopfstand-bei-den-windraedern-schafft-der-90-jahre-alte-horst-bendix-die-erste-deutsche-sprunginnovation/ (05.03.2021)
      brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/wie-wollen-wir-leben/das-innovations-paradox (2020)
      patentimages.storage.googleapis.com/9b/27/88/9d96b1a9388d66/DE102016014799A1.pdf (14.09.2017)
      nd-archiv.de/artikel/642579.kranbaumeister-horst-bendix.html (21.04.1961)

      Bildquelle: © SPRIND GmbH