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Down to earth: Bestattung mal anders

"Reerdigung" nutzt die Kraft der Natur
Harmonie und Idylle auf dem Friedhof: Auch Bestattung kann natürlich sein
#naturwow #menschenwow
© 3345408, Pixabay

Alle Lebewesen, auch Menschen, setzen sich aus sechs organischen Bausteinen zusammen: Wasser-, Kohlen-, Stick- und Sauerstoff sowie Phosphor und Schwefel. Daher hat es Sinn, diese Bestandteile dem biologischen Kreislauf der Natur zurückzuführen. Das ist bald mit einer in Deutschland neuen Art der Bestattung möglich: der Reerdigung.

Auch bei den bislang in Deutschland zugelassenen Bestattungsformen, der Urnen- und der Erdbestattung, werden die menschlichen Körper in die Natur gegeben, allerdings nicht auf nachhaltige Weise. Eine Kremation benötigt fossile Brennstoffe und setzt Kohlendioxid frei. Die Erdbestattung braucht verhältnismäßig viel Platz und Material, das den Rückführungsprozess menschlicher Körper in die Natur über Jahrzehnte hinauszögert und die Natur belastet.

Erde zu Erde

Freilich ist die Vorstellung, sich binnen kürzester Zeit von Bakterien zersetzen zu lassen, ein zunächst fremder Gedanke. Doch ist dies der natürliche Weg: Die Kleinstlebewesen, die während unseres Lebens unseren Stoffwechsel am Laufen halten und durchführen, tun ebendies nach unserem Ableben weiter – nur verstoffwechseln sie dann unseren physischen Körper. So ist gewährleistet, dass nach nicht einmal zwei Monaten aus einem Menschen, Stroh, Blüten und Blättern nahrhafter Humus entsteht.

Wie das möglich ist? Mark Benecke, Kriminalbiologe, erklärt: „Leichen zersetzen sich eigentlich unter natürlichen Bedingungen schnell, das heißt, wenn es gut für Bakterien und Insekten ist, also feucht und warm.“
So ist dann auch das Klima in dem „Kokon“, der ein bisschen nach Sarg aussieht – und gleichzeitig auch nicht: abgerundete Kanten, matt glänzend lackiert in unaufdringlicher Farbe. Das wohl Ungewöhnlichste daran: die Handläufe aus massivem Holz. Diese dienen nicht nur dazu, die Truhe zu bewegen, sondern auch, um Hinterbliebenen Halt zu geben, die während der rund vierzig Tage des Zersetzungsprozesses Abschied nehmen können.

Zurück zur Natur

Der in den USA human composting genannte Vorgang ist durch die Designerin und Unternehmerin Katrina Spade dort längst bekannt. Sie gründete im Jahr 2017 „Recompose“, das sich, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, für diese Art der Erdbestattung einsetzt.
Die Idee zu dieser Bestattungsalternative kam ihr im Jahr 2011. Ausgelöst durch ihren neuen Blick aufs Leben als junge Mutter, dachte sie über ihr eigenes Ableben nach. Es dauerte knapp anderthalb Jahre, bis sie, damals noch Architekturstudentin, den „Prototypen eines Prototypen“ entworfen hatte: eine Kompost-Heizung. Sie erkannte, dass Mikroben in der Lage sind, in feuchter und warmer Umgebung so ziemlich jedes organische Material zu zersetzen – schnell und nachhaltig.

Nachhaltig ist eine Reerdigung in mehreren Bereichen. Im Vergleich zu Erdbestattung oder Kremation wird bei einer Kompostierung eine Tonne CO2 eingespart. Darüber hinaus benötigt diese Art der Beisetzung lediglich ein Achtel der Energie, die andere übliche Formen der Bestattung verbrauchen. Fossile Brennstoffe sind ebenso überflüssig und auch Materialien wie jene zum Bau von Särgen und Urnen bleiben vakant.

Somit lässt sich sagen: „Zurück zur Natur“ ist nicht mehr nur in der Freizeit ein hehres Ziel, sondern auch nach unserem Dahinscheiden. Und jeder Mensch kann über den Tod hinaus dafür sorgen, bestehendes Leben zu schützen sowie neues zu ermöglichen.

 

Quellen und weiterführende Links:
recompose.life/our-model/ (04.04.2022)
meine-erde.de/ (28.03.2022)
reerdigung.de/ (28.03.2022)
deutschlandfunkkultur.de/reerding-bestattung-100.html (17.03.2022)
swr.de/wissen/1000-antworten/warum-besteht-das-leben-aus-kohlenstoff-100.html (03.09.2021)

Bildquelle: © 3345408, Pixabay